Vom Studium direkt in die Selbstständigkeit
Die Gründerinnen von Randalyn Rage erzählen

Lara Wietschorke, Michelle Martinussen und Jennifer Stark sind Jungunternehmerinnen in der Gamesbranche: Unterstützt durch viele Akteure der TU Darmstadt fassten Sie den Entschluss basierend auf dem EXIST-Gründerstipendium den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Klingt nach einem Abenteuer? Die drei Gründerinnen erzählen, von Ihrem Weg.

Erschienen: 28. Mai 2021

Woran genau arbeitet Ihr gerade?

Jenni: „Wir arbeiten am Aufbau unserer Spieleentwicklungsfirma für innovative Technologien und Serious Games: Randalyn Rage Unsere erste Anwendung ist beVaiR. Ein storybasiertes Virtual Reality Strategiespiel, was den Spieler in eine dystopische Zukunft versetzt und als Serious Game – also als Spiel mit mehr als nur dem Unterhaltungswert – die mehrdimensionale Wahrheit ergründen lässt. Das Game Design erfordert strategisches, dreidimensionales Denken bei gleichzeitiger physischer Aktivität, guter Hand-Augen-Koordination und schneller Reaktionszeit. Die Story behandelt Fragestellungen rund um totalitäre Systeme, KI-Ethik, ethische und technische Grenzen beim Einsatz technischer Systeme, Moral, sowie kritischer Umgang mit alternativen Fakten, die heutzutage aktueller denn je sind.“

Wie kam es zu der Idee ein Unternehmen für innovative Technologien und Serious Games zu gründen?

Lara: „Kennengelernt habe ich Michelle im Informatikstudium. Den ersten Kontakt hatten wir in der O-Woche. Angefreundet haben wir uns dann in einigen Kursen und praktischen Übungen. Am besten erinnere ich mich an unser Praktikum in virtueller Realität. Hier haben wir gemeinsam unser erstes Serious Game für Virtual Reality konzipiert und entwickelt: Ein Chemielernspiel, in dem man sich wie Spiderman von Atom zu Atom bewegt hat. Wir konnten uns bereits im Studium beide vorstellen später mal in der Gamesbranche zu arbeiten und haben entsprechend unsere Studiengänge ausgesucht und ausgerichtet. Befeuert hat die Idee dann die Möglichkeit durch das EXIST-Gründerstipendium gefördert zu werden.“

Was ist das EXIST-Gründerstipendium?

Michelle: „Das EXIST-Gründerstipendium richtet sich an Studierende oder ehemalige Studierende, die ein Unternehmen basierend auf einer innovativen Idee gründen wollen. Die Idee muss sich dabei nicht auf Software beschränken, sondern kann in allen Bereichen der Forschung angesiedelt sein.

Beantragen kann man die Förderung an der TU Darmstadt zusammen und den Gründungsberater*innen des Innovations- und Gründungszentrums HIGHEST und einem Mentor an der Universität. In unserem Fall arbeiten wir am KOM der TU Darmstadt mit Prof. Ralf Steinmetz, Dr. Stefan Göbel und Polona Caserman zusammen. Wir haben uns bei der forschungsbezogenen Ausrichtung auf innovative Technologien, wie Virtual Reality, und Serious Games spezialisiert.

Gefördert wird nach erfolgreicher Beantragung durch ein Ideenpapier im Regelfall ein Jahr durch ein Stipendium und die Vergabe von Sachmitteln.“

Wie kann ich mir Euren Weg vorstellen?

Lara: „Bereits Mitte 2019 sind wir mit HIGHEST in Kontakt getreten und haben das Konzept der ersten Anwendung entwickelt. Zusammen mit Gudrun Lantelme von HIGHEST haben wir das Ideenpapier ausgearbeitet und die Förderung beantragt. Das Belegen des 2. Platz beim Darmstädter Startup & Innovation Day 2019, der jährlich vom HIGHEST ausgerichtet wird, zeigte uns erstmalig das Potenzial unserer Idee. Ab Januar 2020 haben wir dann die Förderung erhalten. Das ursprüngliche Konzept unserer ersten Anwendung war die eines Exergames – das sind Spiele, die den Nutzer zur Bewegung motivieren sollen. Diese Ausrichtung hat sich im Verlauf des Projekts jedoch eher in die Storyrichtung bzw. der Auseinandersetzung mit brisanten Thematiken verschoben, nicht zuletzt, weil die Umsetzbarkeit der Entwicklung eines Exergames durch die Corona-Pandemie stark behindert wurde.

Nach vielen Konzeptideen und Entwicklungsansätzen und unterstützt durch HIGHEST, das KOM an der TU Darmstadt und das WTT Serious Games, befindet wir uns seit Anfang 2021 im Gründungsprozess und werden in wenigen Monaten gegründet sein.“

Wie sieht der weitere Weg aus?

Michelle: „In erster Linie arbeiten wir natürlich am Release von beVaiR. Geplant ist, dass beVaiR im Herbst 2021 auf Steam und im Oculus Store veröffentlich wird. Gleichzeitig möchte Randalyn Rage, die als Entwickler und Publisher beVaiR rausbringen wird, aber auch gegründet werden. Nicht zuletzt ist es für den erfolgreichen Fortbestand der Firma wichtig weitere Ideen zu erarbeiten. So viel können wir hier schon verraten: Durch die umfangreiche Welt, die wir erschaffen haben, haben wir einige Ideen für weitere Spiele im Universum von beVaiR in der Hinterhand.“

Könnt Ihr bereits mehr zur Story von beVaiR verraten?

Jenni: „In der dystopischen Zukunft herrscht eine multiple Klassengesellschaft: Eine Gruppierung, genannt Yunify, strebt den Aufbau einer neuen Gesellschaft nach ihren Regeln und Maßstäben an und klassifiziert mit Hilfe der eigens dafür geschaffenen künstlichen Intelligenz (KI) VaiR alle Individuen als gut oder schlecht für das System. Nach einem nicht ganz nach Plan verlaufenem Update entwickelt VaiR ein Eigenleben. Ein Hotfix soll das beheben, löst jedoch nur den Kampf der abgespaltenen Fraktionen Xevolu, Cyboro und Divina um VaiR aus. Der Spieler bewegt sich als Neurohacker in der Projektion von VaiRs Gehirn. Ziel ist es durch strategisches Handeln die Neuronen des lebendigen Netzwerks so zu modifizieren, dass die KI bereit ist, der gewählten Fraktion zu helfen und Informationen über sie preiszugeben. Es obliegt dem Spieler, die Wahrheit durch sorgfältiges Überlegen zu ergründen.“

Michelle und Lara, ihr habt beide hier an TU Darmstadt im Fachbereich Informatik studiert. Wie ist es als Frau in einem technischen Studiengang?

Lara: „Inhaltlich ist es selbstverständlich genauso machbar wie für alle anderen. Ich habe weder in meinem Bachelorstudium an einer anderen Universität noch im Masterstudium an der TU Darmstadt jemals das Gefühl gehabt, anders bewertet zu werden als meine männlichen Kollegen. Was die zwischenmenschliche Komponente angeht sieht das leider anders aus. Als Frau hatte ich immer das Gefühl, mich mehr beweisen zu müssen als meine männlichen Kommilitonen. Das liegt unter anderem auch daran, dass der Anteil an weiblichen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Professorinnen, mit denen ich im Studium zu tun hatte, wesentlich geringer war als der der männlichen. Das vermittelt einem als Studentin das Gefühl, dass eine Frau im technischen Bereich (leider) immer noch etwas Besonderes ist. Dass es unter den männlichen Mitmenschen selbst an einer Universität immer noch einige gibt, die herablassende oder sexistische Sprüche von sich geben, hat mich zunächst schockiert. An dieser Stelle muss uns Frauen aber bewusst werden, dass das kein Zustand ist, den wir einfach hinnehmen müssen, sondern dass wir daran gemeinsam etwas ändern können um für alle ein angenehmes Klima zu schaffen. Nur wenn wir offen über solche Vorfälle sprechen und die dahinterstehende Problematik thematisieren, können wir ein Bewusstsein dafür schaffen. Es gibt viele Anlaufstellen dafür an der TU Darmstadt. Wir müssen sie nutzen, um nachhaltig ein Umdenken zu bewirken.

Nichtsdestotrotz bereue ich die Wahl meines Studiengangs nicht, ganz im Gegenteil: Frauen mit Interesse am MINT-Bereich sollten sich nicht verunsichern lassen und die Chance, ihre Träume zu verwirklichen, auf jeden Fall ergreifen.“

Und wie sind eure Erfahrung als Gründerinnen bisher?

Michelle: „Die im Studium aufgetretene Problematik haben wir auch als Gründerinnen wahrgenommen. Weibliche Gründerinnen und Geschäftsführerinnen, gerade in Ausgründungen in den technischen Bereichen, sind eher eine Seltenheit. Beispielsweise ist uns in Vorlagen für Geschäftsführerverträgen aufgefallen, dass Thematiken, die explizit Frauen betreffen, wie z.B. Mutterschutz, nicht thematisiert werden. Auffällig ist hingegen das öffentliche Interesse an eben weiblichen Gründerinnen. Ich habe als Frau das Gefühl, dass wir uns zwar teilweise mehr beweisen müssen als unsere männlichen Kollegen, jedoch von entsprechenden Stellen nie minder unterstützt werden.

Positiv ist mir insbesondere der Zusammenhalt in der Szene aufgefallen, gerade unter den EXIST-Gründerteams. Im Verlauf der Förderung ist uns die Wichtigkeit des interdisziplinären Arbeitens bewusst geworden. Ein funktionierendes Gründerteam besteht unserer Meinung nach aus möglichst diversen Charakteren und Qualifikationen.“

Was wollt ihr anderen Studierenden noch mit auf den Weg geben?

Michelle: „Wir sind mehr als glücklich die Möglichkeit zu haben unsere Ideen zu verwirklichen und können nur jedem raten den Schritt zu wagen. Es gehört einiges an Planung und Organisation dazu und es müssen mehrere Hürden gekonnt übersprungen oder umschifft werden, die Mühe zahlt sich aber auf jeden Fall aus! Im Team an etwas zu arbeiten und zu wachsen, bereichert in so vielen Bereichen.“

Jenni: „Man sollte keine Angst vor einer neuen Herausforderung haben, wenn sich eine solche Gelegenheit ergibt, sondern mutig sein und das eigene Ziel verfolgen. Mit einem eingespielten Team funktioniert das sehr gut und macht auch noch Spaß.“

Lara: „Nutzt während des Studiums die Möglichkeiten für Auslandssemester und Sprachkurse an der Uni. Nach dem Studium wird es um einiges schwieriger, einen Auslandsaufenthalt umzusetzen oder eine neue Sprache zu lernen.“

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Das Innovations- und Gründungszentrum HIGHEST der TU Darmstadt hat sich zum Ziel gesetzt, Ergebnisse aus der Grundlagenforschung in die Praxis umzusetzen und aus großartigen Ideen Produkte zu generieren. HIGHEST hat für Gründungsinteressierte der TU Darmstadt und der Region einiges zu bieten: Mit dem Pioneer Fund zur Förderung von Innovationen, dem Athene-Preis für Wissens- und Technologietransfer, dem TU-Ideenwettbewerb in den Kategorien Wissenschaftler*innen und Studierende, den Open Digital Labs sowie Gründungs-, Innovations- und Erfindungsberatungen trägt HIGHEST zu einem äußerst lebendigen Innovationsumfeld in Darmstadt bei.

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Das Projekt KaiparaAdVRenture wurde im Rahmen des EXIST-Programms durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und den Europäischen Sozialfonds von Januar 2020 bis März 2021 gefördert.