Erschienen: 17.Aug.2024, letzte Aktualisierung: 17.Aug.2024
Als sein Studium an der TU Darmstadt begonnen hat, dachte er als Ostdeutscher, Arbeiterkind, vorheriger Studienabbrecher und Homosexueller allein dazustehen, isoliert vom großen Rest. Jedoch fand er schnell heraus, dass eine Vielzahl anderer Studierenden aus ähnlichen Situationen stammen und ebenfalls das Studium gestartet haben. Ambassador Richard schaut sich die Diversitätsstrategie der TU Darmstadt jetzt genauer an. Ambassador Richard
Richard,
Biologie und Chemie Lehramt am Gymnasien
„Als Student, der Teil von Minderheiten ist, fühle ich mich manchmal von der Gesellschaft alleingelassen. Ich danke der Universität, dass sie mit der Diversitätsstrategie die Weichen stellt für mehr Akzeptanz, Toleranz und Inklusion, damit diese Gefühle der Einsamkeit weniger werden.“
Die TU Darmstadt begrüßt die Vielfalt an Studierenden unterschiedlichster (sozialer) Herkunft, Religion, Sexualität, Hautfarbe, Geschlecht, Alter und vielem mehr. Dafür gibt es seit 2023 festgehalten die Diversitätsstrategie der Technischen Universität Darmstadt. Diese Strategie hat es sich zum Ziel gesetzt, mit drei Schwerpunkten Diversität am Campus weiter zu stärken.
Strukturen analysieren und verändern
Bevor Verbesserungen im Bereich Diversity erfolgen können, muss zunächst beobachtet werden, in welchen Formen Diskriminierung am Campus immer noch stattfindet, damit danach gezielte Maßnahmen ergriffen werden können. Darin versteht sich der Schwerpunkt, Strukturen analysieren und verändern. Ein Beispiel hierfür stellt die Barrierefreiheit der Gebäude dar.
Personen mit körperlichen Einschränkungen sind auf ihren Ansprüchen gerechten Zugängen in die Gebäude angewiesen, damit sie an den Veranstaltungen teilnehmen können. Gerade für Rollstuhlfahrer:innen kann dies zu Problemen führen. Daher ist es wichtig, dass die Universität Lösungen dafür angeht. Dieser Schwerpunkt darf jedoch nicht bei architektonischen Herausforderungen haltmachen. Auch in der Lehre müssen diskriminierende Strukturen aufgedeckt und nachhaltig ausgemerzt werden.
In der Strategie finden sich dazu unter anderem folgende Ziele:
- „[D]ie Durchführung und Auswertung einer Befragung aller Universitätsangehörigen mit dem Thema Diversität zur Bedarfsanalyse und Maßnahmenableitung sowie die Abstimmung mit den verantwortlichen Stellen zur diversitätssensiblen Anpassung der standardisierten Befragungen […]
- [D]ie Förderung und Organisation zentraler Verankerungsmöglichkeiten von Weiterbildungsangeboten zu Diversität.“
Diversität fordern und fördern
Einen weiteren Schwerpunkt in der Strategie der TU bildet das Thema Diversität fordern und fördern. Aus diversen Gründen wie beispielsweise dem Ausleben der Sexualität oder der Angehörigkeit einer Religion kann Diskriminierung erfolgen. Dies erfolgt nicht zwangsläufig als offene, aus Filmen stereotypisierte Ausgrenzung à la „Du darfst da nicht mitmachen, weil du schwul bist“, sondern eher nuancierter auf einem Niveau, auf welchem nur die Diskriminierten die Benachteiligung noch miterleben, beispielsweise wenn sich nach einem Coming Out die gleichgeschlechtlichen Freunde Situationen vermeiden, wo sie mit der Person allein sind oder wenn der Dozent gerade über das Verhalten von Frauen spricht (was in sich bereits sexistisch ist) und dabei den queer gelesenen Studenten etwas zu intensiv anschaut. Solche sogenannten Mikroaggressionen sollen nicht nur abgebaut werden, sondern es soll gleichzeitig Vielfalt gefördert werden.
Dazu soll Inklusion und Chancengerechtigkeit gestärkt werden. Dies bedeutet entgegen der allgemeinen Fehlannahme nicht, dass alle Personen die gleichen Möglichkeiten erhalten sollen, sondern individuell eine stärkere Förderung für diejenigen vorliegen soll, welche diese auch dringender benötigen.
Als Beispiel dafür finden sich folgende Ziele der Strategie:
- „[D]iversitätsgerechte Anpassung von Bewerbungsprozessen sowie Auswahlverfahren mithilfe von diversitätsförderlichen Ausschreibungstexten, Bewerbungsprozessen und Auswahlverfahren und spezifischen Führungskräftetrainings
- [D]as Ermöglichen von alternativen Lern- und Prüfungsformen sowie anonymisierten Prüfungsabnahmen.“
Campus Stadtmitte Denkmal
Ambassador Richard am Campus Stadtmitte vor dem Denkmal der Opfer des Artikels 175 StGB, dem sogenannten „Schwulenparagraphen“, nach welchem homosexuelle Männer in Deutschland lange Zeit kriminalisiert wurden.
Handeln kritisch hinterfragen
Da wir alle in einem diskriminierenden Umfeld aufgewachsen sind, werden wir alle unweigerlich hin und wieder unbewusst in diskriminierende Muster zurückfallen. Sobald man selbst bemerkt, dass diese Muster auftreten, muss man sich jedoch nicht als schlechter Mensch fühlen, sondern viel eher hinterfragen, wieso dieses Muster aufgetreten und wieso es falsch ist. Darin befindet sich der dritte Schwerpunkt: Handeln kritisch hinterfragen. Essenziell dafür ist ein offener Fehlerumgang.
Eine Person, die beispielsweise homophobe Aussagen tätigt, sollte nicht einfach als homophob gebrandmarkt und schließlich gecancelt werden. Dies würde zu keinem Umdenken bei der Person führen und die Fronten verhärten lassen. Die Person würde sich in ihrem Glauben bestärkt fühlen und sich in ihrem Glauben radikalisieren.
Ich komme zum Entschluss, dass viel eher der Dialog mit einer solchen Person gesucht werden sollte und ihr die Möglichkeit zum Wandel gegeben werden muss. In der Strategie finden sich zu diesem Punkt folgende Ziele:
- „Vorstellung und Dokumentation von Beispielen guter Praxis in Teams […]
- [D]ie Erweiterung der Tutor:innen- und Mentor:innen-Schulungen“
Insgesamt bildet sich das Fazit für mich, dass die TU Darmstadt sich sehr stark für die Förderung von Diversität einsetzt. In meinem Lehramtsstudium kann ich zudem bestätigen, dass auch innerhalb der Studieninhalte das Thema an Relevanz gewinnt. Die Diversitätsstrategie hat für alle drei Schwerpunkte eine ausgearbeitete Liste mit spezifischen Zielen, die es zu erreichen gibt. Hier könnt ihr sie nachlesen:
(wird in neuem Tab geöffnet) TU Darmstadt Diversitätsstrategie
Strategieentwicklung der TU Darmstadt