Erasmus Kittler

Man schreibt das Jahr 1882. Thomas Edison hat gerade in New York das erste Kraftwerk der Welt eröffnet, das Privathaushalte mit Strom für Glühbirnen versorgt. Nun soll die elektrische Energie die Welt erobern. Doch es fehlen ausgebildete Spezialisten für Elektrotechnik.

Erasmus Kittler war der erste Professor für Elektrotechnik an der TU Darmstadt.
Erasmus Kittler war der erste Professor für Elektrotechnik an der TU Darmstadt.

Die Technische Hochschule Darmstadt erkennt schnell die Marktlücke und gründet den weltweit ersten Lehrstuhl für Elektrotechnik. Als Professor beruft sie einen Mann, der weiß, wie man Menschen für das Fach begeistert: den aus Franken stammenden Physiker Erasmus Kittler. Der 30-Jährige hat soeben die erste Elektrotechnik-Ausstellung Deutschlands in München konzipiert. Die sauberen Elektromaschinen faszinieren das Publikum, das nur qualmende und rußende Dampfmaschinen kennt. Auch in seinen Darmstädter Vorlesungen setzt Kittler auf die Kraft der Anschauung: Er macht aus dem Hörsaal eine Experimentierbühne mit Spulen, Elektromotoren und Messgeräten.

Der Beginn von etwas ganz Großem

Kittlers Verbindung von Theorie und Praxis in der Lehre rettet das eher mäßig besuchte Polytechnikum in Darmstadt vor der Schließung. Unter Kittler entsteht die führende Elektrotechniker-Schmiede Europas – die Studierendenzahlen in allen Fachbereichen explodieren. Seine Lehre strahlt über die Hochschule hinaus. Unter den aufmerksamen Zuhörern sind auch Stadtverordnete, denn Darmstadt sucht nach einem sicheren Ersatz für die gasbetriebene Theaterbeleuchtung. Einige Jahre zuvor ist das berühmte Theater der Stadt wegen einer defekten Gaslampe abgebrannt.

Kittler überzeugt die Politiker, ein Kraftwerk und ein Stromnetz für die ganze Stadt zu bauen. Die Firma Siemens erstellt im Herzen Darmstadts eines der ersten Elektrizitätswerke Deutschlands, die Centralstation, das 1888 den ersten Strom liefert. Die Studenten erhalten ein Praxisfeld in unmittelbarer Nähe zum Institut.

Kittler (Mitte) mit dem Lehrstuhl für Elektrotechnik. Sein Assistent Michail von Dolivo-Dobrowolsky (rechts außen) erfand später den Drehstrommotor. Rechts von Kittler könnte es sich entweder um den Nachfolger auf der Assistentenstelle, Oscar von Groeben, oder um Adolf Sengel handeln. Links von Kittler ist mit großer Wahrscheinlichkeit der Amerikaner Carl Hering (1860-1926) zu sehen.
Kittler (Mitte) mit dem Lehrstuhl für Elektrotechnik. Sein Assistent Michail von Dolivo-Dobrowolsky (rechts außen) erfand später den Drehstrommotor. Rechts von Kittler könnte es sich entweder um den Nachfolger auf der Assistentenstelle, Oscar von Groeben, oder um Adolf Sengel handeln. Links von Kittler ist mit großer Wahrscheinlichkeit der Amerikaner Carl Hering (1860-1926) zu sehen.

Exzellenter Ruf dank Erasmus Kittler

Kittler reist als Elektrifizierungsberater durch das Deutsche Reich. Der Sohn eines Schneiders nutzt die Kontakte, um seine Studenten in Führungspositionen der gerade entstehenden Elektroindustrie zu bringen. Einer seiner Assistenten, Michail von Dolivo-Dobrowolsky, wird Chefkonstrukteur bei der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) und erfindet dort den Drehstrommotor. Ein weiterer Kittler-Schüler, Waldemar Petersen, wird Generaldirektor der AEG.

Seit Kittler genießt die Technische Universität Darmstadt einen international exzellenten Ruf. Sie hat den Elektroingenieur erfunden – und seither vieles mehr.